14. Sonntag nach Trinitatis
22. Sonntag im Lesekreis
Sir 3,17-18.20.28-29; Hebr 12,18-19.22-24a; Lk
14,1.7-14
Altkatholische Bürgerspitalkirche, St. Pölten
28 August 2016
Pfarrer em. Dr. Walter Baer
Ausnahmsweise, werde
ich heute hauptsächlich die Epistel-Lesung anstatt das Evangelium zum Predigttext nehmen.
Heuer in den letzten
zwei Monaten waren unsere Epistel-Lesungen aus dem Hebräerbrief, das für mich
ein höchst interessantes Buch ist, aber zugleich eines der kompliziertesten
Bücher des Neuen Testaments darstellt. Im heutigen Text kommen wir zu einem
gewissen Höhepunkt.
Bibelstelle: Hebr -
12,18-19.22-24a
Schwestern und Brüder! Ihr seid nicht zu einem sichtbaren, lodernden
Feuer hingetreten, zu dunklen Wolken, zu Finsternis und Sturmwind, zum Klang
der Posaunen und zum Schall der Worte, bei denen die Hörer flehten, diese
Stimme solle nicht weiter zu ihnen reden; Ihr seid vielmehr zum Berg Zion
hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu
Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der
Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu
den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes.
Jeder wird die Feier
des Gottesdiensts auf seine Weise erleben. Obwohl es ein und derselbe Gottesdienst
ist, den wir zusammen feiern, so sehr verschieden sind unsere Erwartungen und
unser Verständnis dessen, von dem was hier eigentlich geschieht. Vielfach
unterschiedlich, was uns davon wichtig ist; vielfältig nicht zuletzt die
Stimmung, in der jeder hier her kommt. So verschieden die Erwartung und
Erfahrung ist, so verschieden ist auch das, was man vermisst.
Nicht Wenige suchen
in der Messe vor allem die Erfahrung des Heiligen. Auch wenn man es anders
benennt, ist unverkennbar die Suche nach dem, was nicht beliebig verfügbar ist,
vorrangig. Zu vieles ist banal, und es keimt daher die Hoffnung, dass etwas
Göttliches aufscheint, das zumindest diesen Augenblick der Banalität entreißt.
Die Suche nach dem Heiligen fasziniert gerade deswegen, weil es unnahbar ist,
der Verfügung der Menschen entzogen ist.
Manche führt dies in
die wenigen Gottesdienste, die in geheimnisvollem Latein und in der alten Form
gefeiert werden, so wie sie im 16. Jahrhundert festgelegt worden sind. Manche
führt dies zu einer orthodoxen Kirche mit ihren zauberhaften Ikonen und
mysteriösen Gesängen. Die Verteidiger der alten lateinischen Messe des
Spätmittelalters fühlen sich ganz und gar nicht als Auslaufmodell. Sie meinen
irgendwie den Gral zu hüten, der erst noch erstrahlen wird. Sie fühlen sich
nicht selten als die "wahre Kirche", während die breite Palette der
römisch katholischen Gemeinden, ganz geschweige von altkatholisch oder
evangelischen Gemeinden, der Häresie der Formlosigkeit verfallen sind.
Auch bei den
Traditionalisten ist viel Individualismus im Spiel. Bei den älteren sind es
Kindheitserinnerungen an das Numinose, Unverstandene, das sie doch intensiver
erlebt haben, als alles, was moderne Liturgie ihnen jetzt bietet. Aber auch
Jüngere finden sich in diesem Publikum. Es sind jene, die sich als Avantgarde
der Wiederkehr des Wahren und Alten fühlen, auch wenn sich dieses Gefühl nur
mit viel Polemik gegen den status quo behaupten lässt. Gemeinsam ist aber den
meisten Traditionalisten, dass sie der Kirche vorwerfen, das Heilige aus dem
Gottesdienst eliminiert zu haben und die Messe banalisiert zu haben.
Als amerikanischer
Priester der Episkopal Kirche, in der Musik und Zeremonie hoch geschätzt wird,
ist mir eine traditionsreiche fulminante Messe lieb. Es wird aber immer mit
einer sehr weltoffenen und liberalen Ethik verbunden. Das heißt, dass
traditionsreich nicht mit theologisch konservativ oder traditionalistisch
gleichgestellt werden muss.
Der Hebräerbrief kann
leicht missverstanden werden. Nicht nur die Passage aus der heutigen Lesung
könnte so klingen, als richte sich der Text gegen das Alte Testament, gegen
Mose und gegen die Offenbarung am Berg Sinai. Diese Interpretation übersieht
aber, dass der gesamte Brief seine Argumente auf dem Boden des Alten
Testamentes und der Offenbarung an das Volk der Juden entwickelt. Deswegen auch
wurde diese Ermutigungsschrift aus dem späten ersten Jahrhundert später
"Hebräerbrief" genannt.
Der Hebräerbrief ist
nicht gegen das Alte Testament gerichtet. Er zeigt die Fortführung, die Erfüllung
und die Überbietung der Offenbarung im Alten Bund durch das Kommen Gottes in
Jesus Christus. Er zeigt den Menschen aus allen Völker, dass sie zu dem einen
Volk Gottes berufen sind. Gerade in der heutigen Lesung wird deutlich, dass
dieser Weg eine Richtung hat. Vom sinnlich-greifbaren Bereich in den
geistlichen Bereich, vom erdverbundenen zum himmelverbundenen Ereignis. Darum
betont die Lesung den Gegensatz von der Erfahrung des Moses-Bundes vom Berg am
Sinai zum neuen Bund in Christus.
Die alte Erfahrung
betont den Schrecken Gottes. Das Feuer ist ein solches Bild der Erfahrung des
unnahbaren, heiligen Gottes. Die dunkle Wolke, der Sturmwind, die Stimme wie
eine Posaune, mit all dem hat das Volk Israel die Erscheinung Gottes
beschrieben und in der Erfahrung, dass Gott heilig ist: „mysterium tremendum“, ein
erschütterndes und begeisterndes Geheimnis geformt.
Dazu, sagt der
Hebräerbrief, sind wir in der Taufe nicht hingetreten, sondern zur Stadt des
lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem. Das Geistige des Neuen wird hier
betont gegenüber dem Sinnlichen Alten. Stand das Volk am Sinai voll Schrecken gebeugt
auf der Erde, so sieht der Hebräerbrief das Neue Volk einziehen in die Gemeinschaft
der Vollendung im Himmel.
Es fällt auf, dass
die Gotteserscheinung am Sinai nur äußerlich beschrieben wird. Nicht um die
Offenbarung Gottes oder um den Inhalt, die zehn Gebote, geht es, sondern um die
Form der Erfahrung. Nicht zuletzt geht es um den Kult, dem Ritual. Im neuen
Bund, in Jesus Christus, ist Gott den Menschen auf eine Weise nahe gekommen,
dass die Erscheinung Gottes nicht mehr mit Schrecken verbunden ist. Am
Karfreitag wurde der Vorhang im Tempel zerrissen (so steht es in alle vier Evangelien
- vgl Mt 27,51), weil Gott sich in seiner Liebe gezeigt hat. Gott der Richter Aller,
tritt für die Armen ein und lädt sie in sein Reich ein. Sie stoßen zur
Festversammlung im Himmel.
So auch die Botschaft
unseres heutigen Evangeliums.
Das ist es, was wir
im Gottesdienst feiern. Deswegen trägt die Eucharistie Züge einer Versammlung
und eines Mahls. Aber darüber darf nicht vergessen werden, wie heilig diese
Versammlung ist und wie heilig Gott in unserer Mitte ist. Die Liturgie darf
daher nicht einseitig nur noch die Gemeinschaft darstellen, weil es nicht
irgendeine beliebige Gemeinschaft ist, sondern die Versammlung um Gottes Thron.
Darum geht etwas Wesentliches verloren, wenn die Erfahrung des Heiligen aus der
Messe verbannt wird, wenn es hier nur mehr um Geselligkeit, ergänzt um etwas
Belehrung, geht. In der Symbolik der heiligen Eucharistie soll darum die
Heiligkeit Gottes erfahren werden, gerade weil er uns so nahe ist.
Mit der Vielfalt der
Kulturen und Erfahrungen wandelt sich auch die Gestalt der Messe. Aber jede
Kultur und jeder einzelne von uns bleibt aufgefordert, den Gottesdienst in
einer Form zu gestalten und mit zu feiern, in der das Geheimnis der Gegenwart
Gottes nicht verloren geht. Der Hebräerbrief weist den Weg von der schreckenden
Erfahrung zur Anbetung. Nicht ob wir knien oder stehen macht den Unterschied.
Man kann sich kniend in die Bank plazieren aber auch herumstehen, als würde man
am Bahnhof auf den Zug warten. Man kann aber auch niederknien vor dem Geheimnis
Gottes im Sakrament oder auch voll Ehrfurcht und in Anbetung s vor dem Heiligen
in unserer Mitte stehen. Immer ist es Christus, durch den wir beten und ist es
der Herr, der Herr der unendlichen Liebe, dessen Gegenwart unsere Versammlung
erfahrbar macht.
Im heutigen Evangelium
geht es um eine Mahlzeit im Haus eines Pharisäers. Aber, bei Mahlzeiten im
Lukasevangelium geht es nicht nur über einzelne Mahlzeiten. Jede Mahlzeit in
den Evangelien verweist auch auf, und sagt uns etwas über die Eucharistie, in
der wir uns finden, wenn das Evangelium hören. Wir sind nicht im Hause des
Pharisäers zu Gast, wo wir beobachtet und qualifiziert werden. Als wir die
Türen zu unserer Kirche heute betreten haben, sind wir durch eine Tür der Liebe
und Gnade getreten. In den Augen der Welt, ist was hier passiert, alles
umgedreht. Wir werden als die Gäste geehrt, nicht wegen dem, was wir getan
haben und nicht zu Verdienst gemacht haben, sondern weil Jesus unser Gastgeber
uns, seine geliebte Gäste, Brüder und Schwestern, miteinander zu sein berufen
hat,.
Er hat uns nicht
wegen unserer herausragenden Leistung in der Welt eingeladen, sondern weil er
uns liebt. Seine Worte und Taten haben uns davon überzeugt, dass wir an diesem
Tisch eingeladen sind, ob wir als erster oder letzter kommen. So nähern wir uns
dieser Mahlzeit mit Freude und tiefer Dankbarkeit, dass unser Gastgeber uns gesehen
und erkannt hat, uns als volle und gleichberechtigte Teilhaber zum Bankett
gerufen hat, das er so liebevoll für uns vorbereitet hat. Jesus ist heute unser
Gastgeber und kommt zu jedem von uns und sagt: „Mein Freund, rück weiter
hinauf!“ Amen.
No comments:
Post a Comment