Sunday, September 11, 2016

Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis

13. Sonntag nach Trinitatis
21. Sonntag im Lesekreis
Jesaia 66,18-21; Psalm 117,1,-2; Lukas 13,22 30
St. Willborord Kirche, Krems
21 August 2016
Pfarrer em. Dr. Walter Baer


Die Frage, die Jesus da im Evangelium gestellt wird, ist auch unsere Frage:
„Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“ Es ist die Frage danach, ob sich alle unsere Mühen lohnen, um das ewige Leben zu erhalten.

Die Antwort Jesu ist keine direkte Antwort auf die Frage. Sie gibt uns aber zu denken: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen, denn viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“

Die Antwort, die Jesus gibt, wirft neue Fragen auf: Warum bemühen sich viele vergeblich? Was heißt: „Bemüht euch mit allen Kräften!“? Kommt es also doch auf unsere Kräfte an, auf unsere Werke und Verdienste, um das Heil zu erlangen? Was meint Jesus damit? Worum geht es?

Einen neuen Zugang zu dieser Frage habe ich vor ein paar Wochen bekommen. Am Anfang Juli hatte ich die Gelegenheit eine Woche in Utrecht in den Niederlanden zu verbringen und an einem Seminar über Altkatholische Theologie teilzunehmen. Es gab Teilnehmer aus Holland, Deutschland, der Schweiz, den USA, Polen, Italien und Bischof Heinz Lederleitner und ich aus Österreich. Letzte Woche habe auch ich in St. Pölten in einem anderen Zusammenhang auch darüber gesprochen.

Von großem Interesse waren für mich die historischen Entwicklungen, die zu der Entwicklung der altkatholischen Theologie und Spiritualität geführt haben. Wie Sie wissen, in Deutschland, der Schweiz, Österreich, der Tschechoslowakei und Kroatien begann die altkatholischen Bewegung dann,  als eine Reihe von neuen Innovationen, die von Rom im neunzehnten Jahrhundert eingeführt wurden, die dann in dem Ersten Vatikanischen Konzil im Jahre 1870 zur offiziellen Lehre der römischen Kirche wurden. Diese Änderungen beinhalteten, wie die Kirche regiert wird und auch gewisse Glaubensaussagen kamen hinzu. Dazu gehörten die Idee der päpstlichen Unfehlbarkeit, die neue diktatorische Macht der Päpste die zur universellen Gerichtsbarkeit über jeden katholischen Christen in der Welt erklärt wird und letztlich wurden auch Maria und ihrer Rolle bei der Erlösung der Menschheit neue Ideen zugebilligt. Viele Theologen, Geistliche und gebildete Laien haben gegen diese Innovationen Einspruch erhoben, und wurden in Folge von der römischen Kirche wegen Ungehorsam gegenüber der neuen Lehre ausgeschlossen.

In den Niederlanden gab es eine eigene Entwicklung, wo das alte Erzbistum Utrecht, dem Druck von den Jesuiten auf ihrer alten Vorrechte und insbesondere ihrer theologischen Ansichten zu verzichten, standgehalten hat. Die theologischen Ansichten über die „Gnade Gottes“ des heiligen Augustinus, die sagt, dass alle Menschen zwar Sünder sind, aber dass sie ebenfalls Zugang zu Gottes vergebende Gnade haben, hatte eine große Bedeutung in der niederländischen Kirche gewonnen. Die Jesuiten, deren Ansichten von der Gnade durch legalistische Formulierungen gesteuert wurden, haben den Papst aufgefordert diese Ansichten, die als Jansenistisch (nach dem Theologen an der Universität Löwen Cornelius Jansen) bezeichnet wurden, als ketzerisch zu erklären. So schließlich erklärte Rom 1723 die Erzbischöfe von Utrecht und die anderen niederländischen Bischöfe als schismatisch. Als es nach 1870 klar wurde, dass Rom keine Absicht hatte, sich mit der niederländischen Kirche zu versöhnen, schlossen sich die Holländer mit denen, die die Lehre des Ersten Vatikanische Konzil abgelehnt hatten, zur altkatholischen Bewegung zusammen und bildeten sie so, wie wir sie heute haben.

Ein wichtiger Teil des Altkatholizismus ist das Verständnis, dass die Gnade Gottes und die Liebe Gottes mächtiger ist als religiöser Autokratismus. Das Feuer der Liebe Gottes wird auf neue Weise für verschiedene Generationen bereit gestellt. Dies hat schon in der frühen Kirche gegolten, und es ist heute noch immer wahr. Gottes Gnade, die nicht durch eine autoritäre religiöse Institution vermittelt wird, ist eine Gnade, die für Alle verfügbar ist.

So wie steht diese Lehre über die Gnade Gottes zum heutigen Evangelium?
Die Antwort, die Jesus gibt, wirft neue Fragen auf: Warum bemühen sich viele vergeblich? Was heißt: „Bemüht euch mit allen Kräften!“? Kommt es also doch auf unsere Kräfte an, auf unsere Werke und Verdienste, um das Heil zu erlangen?
Im Gleichnis vom barmherzigen Vater hat Jesus es uns doch anders erzählt, dass es nämlich Gottes Güte ist, die dem verlorenen Sohn Vergebung und Heil schenkt. Besteht da ein Widerspruch zwischen dem Gleichnis und dem heutigen Evangelium? Was will Jesus uns heute verkünden?

zum 1.: Unsere Aufgabe besteht nicht darin zu spekulieren, sondern die Gaben in unserem Leben zu entdecken, die Gott uns geschenkt hat. Und diese gilt es dann auch einzusetzen.

Zum 2.: Es ist nicht richtig, vor Gott Berechnungen anzustellen. Darum dürfen wir zu Gott nicht sagen: Wir haben für dich so viel getan; jetzt bist du dran, uns den Lohn dafür zu geben. Gott ist nicht unser Handelspartner. Wir bleiben vor ihm immer Glaubende, Hoffende, Liebende und Bittende.

zum 3.: Unser Leben ist manchmal hart und schwer. Krankheiten. Leiden und Behinderungen kosten große Kraftanstrengungen. Der Glaube soll keine zusätzliche Last sein. Er will uns erfahren lassen, dass er uns hält und trägt.

Das Evangelium ist also keine „Droh-botschaft“, sondern eine „Froh-botschaft“; denn am Schluss heißt es: „Man wird von Osten und Westen, von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tische sitzen.“
Es gibt also mit Gott Gemeinschaft und Freundschaft, nicht nur für uns Christen, sondern auch für die Menschen anderer Religionen. Gott ist der Gott und Vater aller Menschen.

Liebe Freunde! Wir haben keinen Grund, uns vor Gott zu fürchten. Er ist kein unberechenbarer, furchterregender Gott, auch kein kleinlicher Buchhalter. Er ist ein Gott, dem wir uns ganz anvertrauen können. Er ist es, der uns liebt und rettet. Durch Jesus Christus lädt er uns freundlich ein: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“.

Amen. 

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