12. Sonntag nach Trinitatis; 20. Sonntag im
Jahreskreis
Jer 38,4-6.8-10; Ps 40,2-4b.18; Heb 12,1-4; Lk 12,49-53
Altkatholische Bürgerspitalskirche, St. Pölten
Pfarrer em. Dr. Walter Baer
14 August 2016
„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu
werfen"
Vom Feuer war heute im Evangelium die Rede:
Jesus ist gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Feuer, das meint
Begeisterung. Wenn wir sagen, dass jemand Feuer und Flamme ist für etwas, dann
heißt das:
Er geht ganz und gar darin auf. Und der Funke
soll auch überspringen auf andere.
Allerdings kann es auch sein, dass der Funke nicht
recht zünden will, dass die Begeisterung nicht überspringt, so sehr man sich
auch bemüht.
Auch Jesus hat das erfahren müssen: In seiner
Heimatstadt Nazaret wird er erstaunlicherweise abgelehnt. Seine eigene Familie
hat ihn zunächst nicht verstanden, und manche von seinen Verwandten sagten
sogar: Er ist verrückt.
Viele einflussreiche Leute und die religiösen
Anführer seines Volkes waren gegen Jesus. So wurde ihm immer mehr klar, dass er
eines Tages gefangen genommen und zum Tode verurteilt werden sollte.
Vom Feuer der Liebe, das Jesus den Menschen
bringen wollte, wollten sie sich nicht anstecken lassen. Sie wollten ihr
eigenes Feuer, ein Feuer der Zerstörung, der Macht und des Hasses
dagegenhalten.
Was Jesus darum im heutigen Evangelium
beschreibt, hat er selber erfahren müssen: An ihm scheiden sich die Geister.
Die Menschen streiten sich darüber, ob er wirklich der verheißene Retter und
Messias, war oder aber nur ein Betrüger. Sogar bis in die Familien hinein ging
und geht dieser Streit: Aus ein und derselben Familie glaubt einer an Gott, der
andere nicht, und so kommt es zu Uneinigkeit.
Dabei will Jesus, dass Frieden und nicht
Spaltung, Versöhnung und nicht Trennung, Einheit und nicht Zwietracht zwischen
den Menschen herrscht. Auch uns trägt Jesus das auf: Wir sollen das Feuer
seiner Liebe, das Feuer seiner Versöhnung zu den Menschen tragen und ihr Leben
froh machen.
Und doch müssen wir dabei wissen: Auch wir
können dabei auf Ablehnung stoßen. Nicht jeder versteht, dass wir an Jesus
glauben und dass er uns gezeigt hat, wie gütig und barmherzig Gott ist.
Das Feuer der Liebe wird oft durch Angst, Intoleranz und Engstirnigkeit
abgewehrt. Dies kann zu einer Spaltung führen. Die Kirche hat mit dieser Ablehnung
der Liebe im Laufe seiner Geschichte zu kämpfen. Wir Altkatholiken haben auch
Ablehnung erfahren.
Am Anfang Juli hatte ich die Gelegenheit eine
Woche in Utrecht in den Niederlanden zu verbringen und an einem Seminar über
Altkatholische Theologie teilzunehmen. Es gab Teilnehmer aus Holland,
Deutschland, der Schweiz, den USA, Polen und Bischof Heinz Lederleitner und ich
aus Österreich.
Von großem Interesse waren für mich die
historischen Entwicklungen, die zu der Entwicklung der altkatholischen Theologie
und Spiritualität geführt haben. Wie Sie wissen, in Deutschland, der Schweiz,
Österreich, der Tschechoslowakei und Kroatien begann die altkatholischen
Bewegung dann, als eine Reihe von neuen
Innovationen, die von Rom im neunzehnten Jahrhundert eingeführt wurden, die
dann in dem Ersten Vatikanischen Konzil im Jahre 1870 zur offiziellen Lehre der
römischen Kirche wurden. Diese Änderungen beinhalteten, wie die Kirche regiert
wird und auch gewisse Glaubensaussagen kamen hinzu. Dazu gehörten die Idee der
päpstlichen Unfehlbarkeit, die neue diktatorische Macht der Päpste die zur
universellen Gerichtsbarkeit über jeden katholischen Christen in der Welt
erklaert wird und letztlich wurden auch Maria und ihrer Rolle bei der Erlösung
der Menschheit neue Ideen zugebilligt. Viele Theologen, Geistliche und
gebildete Laien haben gegen diese Innovationen Einspruch erhoben, und wurden in
Folge von der römischen Kirche wegen Ungehorsam gegenüber der neuen Lehre
ausgeschlossen.
In den Niederlanden gab es eine eigene Entwicklung,
wo das alten Erzbistum Utrecht, dem Druck von den Jesuiten auf ihrer alten
Vorrechte und insbesondere theologischen Ansichten zu verzichten, standgehalten
hat. Die theologischen Ansichten ueber die „Gnade Gottes“ des heiligen
Augustinus, die sagt, dass alle Menschen zwar Sünder sind, aber dass sie
ebenfalls Zugang zu Gottes vergebende Gnade haben, hatte eine grosse Bedeutung
in der niederländischen Kirche gewonnen. Die Jesuiten, deren Ansichten von der
Gnade durch legalistische Formulierungen gesteuert wurden, haben den Papst
aufgefordert diese Ansichten, die als Jansenistisch (nach dem Theologen an der
Universität Löwen Cornelius Jansen) bezeichnet wurden, als ketzerisch zu
erklären. So schließlich erklaerten 1723
die Erzbischöfe von Utrecht und andere niederländischen Bischöfe ein Schisma.
Als es nach 1870 klar wurde, dass Rom keine Absicht hatte, sich mit der
niederländischen Kirche zu versöhnen, schlossen sich die Holländer mit denen,
die die Lehre des Ersten Vatikanische Konzil abgelehnt hatten, zur
altkatholischen Bewegung zusammen und bildeten sie so, wie wir sie heute haben.
Ein wichtiger Teil des Altkatholizismus ist
das Verständnis, dass die Gnade Gottes und die Liebe Gottes mächtiger ist als
religiöser Autokratismus. Das Feuer der Liebe Gottes wird auf neue Weise fuer
verschiedene Generationen bereit gestellt. Dies hat schon in der frühen Kirche
gegolten, und es ist heute noch immer wahr. Gottes Gnade, die nicht durch eine
autoritäre religiöse Institution vermittelt wird, ist eine Gnade, die für Alle
verfügbar ist. Die Gnade des Priesteramtes ist nicht nur auf unverheirateten
Männer beschränkt, oder nur auf Männer. Frauen sind gleichwertig, Frauen sind
willkommen, das Priesteramt zu bekleiden. Geschiedene und auch homosexuelle
Menschen sind willkommen, Personen jeder Rasse, sozialem Status, Geschlecht
oder sexueller Orientierung. Das Feuer der Liebe Gottes ist für alle da.
Wenn das Feuer der Religion außer Kontrolle
geraet oder in eine falsche Richtung gerichtet wird, kann dies zu religiöser
Gewalt führen. Religiöse Gewalt ist nicht nur Andere im Namen Gottes zu töten.
Es ist auch die autoritäre Interpretation religiöser Texte, demnach man Gottes
Liebe und Gnade manchen Menschen aus verschiedenen ideologisch bestimmten
Gründen verweigern kann. Ja, auch das ist Gewalt.
Das Christsein kann auch wegen solcher
selbstzerstörenden Streitereien zu Ablehnung von Anderen fuehren.
Wie können wir damit umgehen? Im heutigen
Evangelium sagt uns Jesus, dass wir mit solcher Ablehnung oder gar mit manchem
Spott rechnen müssen. Das kann passieren; also stellt euch darauf ein. Und
zugleich will er uns damit Mut machen; denn der Glaube an Gott, den Jesus uns
verkündet hat, hilft uns wirklich im Leben weiter und gibt uns Kraft - auch
wenn manche das nicht verstehen können oder wollen.
Als Christen suchen wir nicht den Streit und
den Unfrieden, sondern wir wollen uns mit unseren Mitmenschen gut vertragen.
Die Nächstenliebe, die Jesus uns aufgetragen hat, gilt selbstverständlich auch
für alle, die uns nicht verstehen. Immer wieder sollen wir versuchen, uns mit
Anderen zu versöhnen, die uns vielleicht wegen unseres Glaubens anfeinden.
Wir alle wissen: Friedensstifter haben es
nicht leicht. Und doch braucht sie diese Welt dringend. Jesus wollte das Feuer
der Liebe und des Friedens zu den Menschen bringen, gegen allen Hass und
Streit. Mit seinem ganzen Leben, ganz selbstlos ist er dafür eingestanden.
Arbeiten auch wir daran, dass sich dieses Feuer der Liebe Jesu auf der Erde
immer mehr ausbreitet, damit alles Trennende unter den Menschen überwunden
werden kann! Amen.
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